Erstausbildung: Steuerbescheide auf Vorläufigkeitsvermerk prüfen!

Aufwendungen für die erste Berufsausbildung und für das Erststudium als Erstausbildung, welche nicht im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses (z.B. Lehre) absolviert werden, sind nach geltendem Recht nur begrenzt bis zu 6.000 Euro als Sonderausgaben absetzbar, während die Kosten für jegliche Bildungsmaßnahmen nach abgeschlossener Berufsausbildung, auch für ein Erststudium nach einer Lehre, in voller Höhe als Werbungskosten berücksichtigt werden (§ 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6, § 10 Abs. 1 Nr. 7 und § 12 Nr. 5 EStG).

  • Aber der 6. Senat des Bundesfinanzhofs hält die Gesetzesregelung für verfassungswidrig. Nach Auffassung der Richter sind die Ausbildungskosten als notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende Berufstätigkeit beruflich veranlasst und somit Werbungskosten, denn sie dienen der Erzielung einkommensteuerpflichtiger Einkünfte (BFH-Beschluss vom 17.7.2014, VI R 8/12, VI R 2/12, VI R 38/12 u.a.).
  • Deswegen haben die BFH-Richter dem Bundesverfassungsgericht die Sache zur Klärung vorgelegt. Die Verfassungshüter müssen nun prüfen, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass nach § 9 Abs. 6 EStG Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium als Erstausbildung nicht als Werbungskosten anerkannt werden (Aktenzeichen: 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14 u.a.).

Aktuell hat die Finanzverwaltung die Finanzämter angewiesen, bezüglich der Ausbildungskosten in alle Steuerbescheide automatisch einen Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO aufzunehmen. Das bedeutet, dass der Steuerbescheid in diesem Punkt offen bleibt und nach einer positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts automatisch zu Ihren Gunsten geändert wird. Falls die Entscheidung nicht positiv ist, wird die Finanzverwaltung alle Steuerbescheide mittels Allgemeinverfügung für bestandskräftig erklären, ohne dass Sie eine Einspruchsentscheidung bekommen (BMF-Schreiben vom 20.2.2015).

I N F O

Lohnsteuer kompakt: Da die Streitfrage nun beim Bundesverfassungsgericht angekommen ist, sollten Sie unbedingt Ihre Steuerbescheide offen halten. Halten Sie also Einsprüche, die Sie bisher gegen Steuerbescheide eingelegt haben, weiterhin aufrecht. In Neufällen geben Sie eine Steuererklärung ab und machen Ihre Ausbildungskosten in der „Anlage N“ als Werbungskosten geltend.

Kreuzen Sie im Hauptformular das Feld „Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs“ an. Prüfen Sie neue Steuerbescheide, ob darin der Vorläufigkeitsvermerk enthalten ist. Sollte er fehlen, legen Sie Einspruch ein und beantragen unter Hinweis auf die Verfassungsbeschwerde das Ruhenlassen gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

 

7 Kommentare zu “Erstausbildung: Steuerbescheide auf Vorläufigkeitsvermerk prüfen!”:

  1. Pingback: Verlustfeststellung: Studienkosten für vergangene Jahre geltend machen - Lohnsteuer kompaktLohnsteuer kompakt

  2. Anna

    Guten Tag,

    Ich mache jetzt schon seit mehreren Jahren meine Steuererklärung und ich mache ein Erststudium, welches ich auch folglich als Sonderausgaben angebe. Wenn also in meinem Steuerbescheid ein Vorläufigkeitsvermekr deswegen drinsteht, muss ich auch nichts weiter ändern oder? Weiter als Sonderausgaben angeben und hoffen, dass das Erststudium bald als Werbungskostem gelten? Dann würde es ja automatisch korrigiert werden, richtig?

    MFG Anna

    1. Thilo Rudolph Autor

      Hallo Anna,

      ein Steuerbescheid kann wegen anhängiger Gerichtsverfahren vorläufig sein. Zu Beginn des Steuerbescheids finden Sie dann den Vermerk: „Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 AO teilweise vorläufig.“

      Die Vorläufigkeit nach § 165 AO betrifft nicht den gesamten Steuerbescheid, sondern nur einen oder auch mehrere einzelne Punkte. Der Steuerbescheid bleibt deshalb auch nur in diesen Punkten offen.

      Tipp: Trauen Sie Ihrem Vorläufigkeitsvermerk nicht und wollen Sie ganz auf Nummer sicher gehen, legen Sie trotz Vorläufigkeitsvermerk Einspruch ein. Berufen Sie sich auf das aktuelle Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen AR 9124/10). Dort soll geklärt werden, ob Vorläufigkeitsvermerke überhaupt wirksam sind.

      Bitte haben Sie Verständnis, dass wir insbesondere auch aus rechtlichen Gründen keine individuelle Steuerberatung – das darf nur ein Steuerberater oder Rechtsanwalt – durchführen dürfen.

      Mit freundlichen Grüßen

      Thilo Rudolph
      Lohnsteuer kompakt

  3. Sabine

    Guten Morgen,

    heißt das, dass, wenn ich eine Ablehnung meines Verlustvortrages mit diesem Vorläufigkeitsvermerk bekomme, ich keinen Einspruch einlegen muss?

    MfG,
    Sabine

    1. Thilo Rudolph Autor

      Hallo Sabine,

      ja, das ist korrekt, wenn der Stejuerbescheid den o.g. Vorläufigkeitsvermerk enthält.

      Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen keine individuelle steuerliche Beratung durchführen dürfen. Bei tiefergehenden Fragen wenden Sie sich daher bitte für eine verbindliche Auskunft an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in Steuerfragen in Ihrer Nähe.

      Mit freundlichen Grüßen

      Thilo Rudolph
      Lohnsteuer kompakt

  4. Antonia

    Hallo,

    mein Bescheid über die Einkommenssteuererklärung ist nach §165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig. Die Aufwendungen für das Erststudium wurden als Sonderkosten, und nicht als Werbungskosten berücksichtigt. Soll ich nun Einspruch einlegen oder ist durch ,,teilweise vorläufig“ der Steuerbescheid in diesem Punkt offen und wird nach einer positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts automatisch zu meinen Gunsten geändert?

    Vielen Dank!

    1. Thilo Rudolph Autor

      Hallo Antonia,

      wie im Artikel empfohlen, prüfen Sie Ihren Steuerbescheid, ob darin der Vorläufigkeitsvermerk enthalten ist. Sollte er fehlen, legen Sie Einspruch ein und beantragen unter Hinweis auf die Verfassungsbeschwerde das Ruhenlassen gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. Wenn Sie unsicher sind, können Sie auch einfach vorsichtshalber bei Ihrem Finanzamt Einspruch einlegen.

      Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen keine individuelle steuerliche Beratung durchführen dürfen. Bei solch tiefergehenden Fragen wenden Sie sich daher bitte für eine verbindliche Auskunft an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in Steuerfragen in Ihrer Nähe.

      Mit freundlichen Grüßen

      Thilo Rudolph
      Lohnsteuer kompakt

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