Viele Ehepaare entscheiden sich für die Steuerklassenkombination III/V, um während des Zusammenlebens möglichst viel Netto vom Brutto zu erhalten. Doch was, wenn die Beziehung zerbricht? Ein aktueller Beschluss des OLG München zeigt deutlich: Ein Ausgleich für Steuerklasse V bei Trennung ist nicht vorgesehen. Das hat spürbare finanzielle Konsequenzen für den benachteiligten Ehepartner – und wirft Fragen zur Veranlagungsform im Trennungsjahr auf.
Steuerklassenwahl III/V: Vorteil im Alltag, Risiko bei Trennung
Die Kombination der Lohnsteuerklassen III und V ist bei Ehepaaren mit ungleichen Einkommen weit verbreitet. Der besserverdienende Partner wählt Klasse III, um möglichst geringe Lohnsteuer zu zahlen, während der andere – meist mit geringerem Einkommen – die nachteiligere Klasse V trägt. Diese Wahl führt im laufenden Jahr zu einem höheren Gesamtnetto, muss jedoch bei der jährlichen Einkommensteuerveranlagung wieder ausgeglichen werden.
Entscheidend wird die Steuerklassenwahl jedoch dann, wenn es zur Trennung kommt. Denn hier stellt sich die Frage, ob der benachteiligte Ehegatte einen Ausgleich für den Nachteil aus Steuerklasse V bei Trennung verlangen kann. Die Antwort: Nein – zumindest nach Ansicht mehrerer Gerichte.
OLG München: Kein Ausgleich für Steuerklasse V bei Trennung
Das Oberlandesgericht München hat im Hinweisbeschluss vom 16.09.2024 (Az. 16 UF 666/24e) entschieden, dass einem Ehepartner kein finanzieller Ausgleich für die Wahl der ungünstigen Steuerklasse V zusteht, selbst wenn diese während des ehelichen Zusammenlebens festgelegt wurde.
Sachverhalt im Überblick:
- Die Eheleute lebten bis 2023 zusammen.
- Der Mann hatte Steuerklasse III, die Frau Steuerklasse V.
- Für 2021 entschieden sich beide für die Zusammenveranlagung, die eine Steuer-Nachzahlung von 1.395 Euro ergab.
- Der Ehemann übernahm diese Nachzahlung, die Ehefrau war damit zunächst einverstanden.
- Später beantragte die Ehefrau beim Finanzamt die Aufteilung der Steuerschuld, woraufhin sie eine Rückerstattung von 3.271,47 Euro erhielt.
- Der Ehemann wurde zur Zahlung dieser Summe herangezogen und verlangte diese zurück.
- Das Amtsgericht Landshut und das OLG München gaben dem Mann Recht.
Die Richter betonten, dass es keinen Ausgleichsanspruch für Steuerklasse V gebe. Werde aber eine frühere Absprache zur gemeinsamen steuerlichen Verantwortung nachträglich verletzt, könne dies Schadensersatzansprüche begründen – gestützt auf § 426 BGB.
Einzelveranlagung oder Zusammenveranlagung: Was gilt im Trennungsjahr?
Auch getrennt lebende Ehegatten können für das Jahr der Trennung zwischen Einzelveranlagung und Zusammenveranlagung wählen. Doch die Entscheidung kann weitreichende Folgen haben. Besonders häufig stellt sich die Frage, ob ein Partner die Zustimmung zur Zusammenveranlagung verweigern darf – insbesondere, wenn er sich davon Nachteile verspricht.
BGH: Zustimmung kann verpflichtend sein
Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 13.10.1976 (Az. IV ZR 104/74) und erneut mit Urteil vom 12.06.2002 (Az. XII ZR 288/00) klargestellt:
Ehegatten sind grundsätzlich verpflichtet, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn dadurch die Steuerlast des anderen Ehepartners ohne eigene zusätzliche Belastung verringert wird. Diese Pflicht besteht auch noch nach der Trennung als sogenannte Nachwirkung der Ehe.
Das bedeutet: Wer durch eine Einzelveranlagung einen vermeintlichen Vorteil erlangen möchte, darf dies nicht auf Kosten des anderen tun, wenn keine eigenen Nachteile entstehen.
OLG Koblenz: Kein Ersatz für hohe Lohnsteuer bei Klasse V
Ein ähnlicher Fall wurde vor dem OLG Koblenz (Beschluss vom 12.06.2019, Az. 13 UF 617/18) entschieden. Eine Ehefrau, deren Einkommen während der Ehezeit nach Steuerklasse V versteuert wurde, wollte im Trennungsjahr eine Einzelveranlagung durchsetzen, um eine hohe Rückerstattung zu erhalten.
Die Richter entschieden jedoch zugunsten des Ehemanns, da die gemeinsame Veranlagung insgesamt günstiger war – selbst wenn sie für die Ehefrau isoliert betrachtet ungünstiger ausfiel. Sie konnte keinen Ausgleich für die höhere Lohnsteuer verlangen, die ihr im Jahr der Steuerklasse-V-Einstufung abgezogen wurde.
Die Entscheidung stützt sich erneut auf die Pflicht, finanzielle Belastungen des Partners zu vermeiden, sofern keine eigenen Nachteile entstehen.
Ausnahmefall: Abweichende Vereinbarung möglich
Eine Abweichung von dieser Rechtslage ist nur möglich, wenn beide Ehepartner eine entsprechende Vereinbarung treffen. Das zeigte das OLG Bamberg im Beschluss vom 10.01.2023 (Az. 2 UF 212/22). Hier hatte man sich bereits während der Ehe auf die Einzelveranlagung verständigt. Der später benachteiligte Partner konnte die Zustimmung zur Zusammenveranlagung dann nicht mehr erzwingen.
Die Entscheidung zeigt: Wer sich über steuerliche Fragen einigt, kann spätere Konflikte vermeiden – allerdings nur bei klarer und dokumentierter Abrede.
Steuerpolitischer Ausblick: Zukunft der Steuerklassenwahl ungewiss
Die Ampel-Koalition hatte ursprünglich geplant, die Kombination III/V abzuschaffen und durch IV/IV mit Faktorverfahren zu ersetzen. Ziel war eine gerechtere Verteilung der Steuerlast. Das Vorhaben scheiterte bislang, und eine Neuauflage ist derzeit nicht in Sicht. Die Kombination III/V bleibt damit weiterhin relevant – inklusive der steuerlichen Risiken im Trennungsfall.
Fazit: Kein Ausgleich für Steuerklasse V bei Trennung – klare Rechtslage
Ehepaare sollten die Wahl der Steuerklassen nicht nur aus kurzfristigen Nettovorteilen treffen, sondern auch die langfristigen Konsequenzen im Blick haben. Im Trennungsfall ist kein Ausgleich für Steuerklasse V vorgesehen. Auch eine später gewünschte Einzelveranlagung muss steuerlich und rechtlich sorgfältig abgewogen werden. Ohne eine vorherige Vereinbarung besteht eine Zustimmungspflicht zur Zusammenveranlagung, wenn sie für den anderen Ehepartner steuerlich vorteilhaft ist.
Die aktuelle Rechtsprechung macht deutlich: Wer bei der Steuerklassenwahl Nachteile in Kauf nimmt, kann im Nachhinein keine Kompensation erwarten.