Verspätungszuschlag bei komplizierter Gesetzeslage: Wann Steuerpflichtige nicht zahlen müssen!

Verspätungszuschlag bei komplizierter Gesetzeslage: Wann Steuerpflichtige nicht zahlen müssen!
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Verspätungszuschlag bei komplizierter Gesetzeslage – was bedeutet das konkret für Steuerpflichtige? In bestimmten Fällen kann der Zuschlag für eine verspätet abgegebene Steuererklärung entfallen, wenn die rechtlichen Regelungen so komplex sind, dass Laien sie nicht ohne Weiteres verstehen können. Ein aktuelles Urteil zeigt eindrucksvoll, dass nicht jede Fristversäumnis automatisch zu einer Sanktion führen muss. Besonders wenn die Abgabepflicht nur durch das Zusammenspiel schwer verständlicher Vorschriften entsteht, lohnt sich ein genauer Blick auf die gesetzlichen Grundlagen.

Wann wird ein Verspätungszuschlag fällig?

Wer seine Steuererklärung nicht rechtzeitig einreicht, riskiert einen Verspätungszuschlag. Dieser wird gemäß § 152 Abgabenordnung (AO) im Steuerbescheid zusätzlich zur festgesetzten Steuer erhoben. Die Höhe: 0,25 % der festgesetzten Steuer je angefangenem Monat der Verspätung – mindestens jedoch 25 Euro monatlich.

Zu unterscheiden ist:

  • Ermessensfall (§ 152 Abs. 1 AO): Liegt die Fristüberschreitung unter 14 Monaten, kann das Finanzamt auf einen Verspätungszuschlag verzichten – insbesondere, wenn die Verspätung plausibel begründet wird.
  • Pflichtfall (§ 152 Abs. 2 AO): Bei mehr als 14 Monaten Verspätung ist der Zuschlag grundsätzlich zwingend zu erheben.

Es gibt jedoch Ausnahmen: Laut § 152 Abs. 3 AO entfällt der Zuschlag beispielsweise, wenn keine Steuer anfällt oder die festgesetzte Steuer niedriger ist als Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge.

Spezialregelung für fehlende Aufforderung

Besonders interessant ist § 152 Abs. 5 Satz 3 AO: Wird ein Steuerpflichtiger erst nach Ablauf der Abgabefrist zur Abgabe aufgefordert und konnte davon ausgehen, nicht erklären zu müssen, dann wird der Verspätungszuschlag nur für die Monate nach Fristablauf der Aufforderung berechnet.

Urteil: Kein Verspätungszuschlag bei unklarer Gesetzeslage

Ein aufsehenerregendes Urteil des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt (Urteil vom 22.02.2024, 2 K 628/22) macht deutlich, wann der Verspätungszuschlag bei komplizierter Gesetzeslage entfallen kann.

Der Fall

Ein Ehepaar reichte für das Steuerjahr 2019 keine Einkommensteuererklärung ein. Obwohl beide in Steuerklasse IV waren und keine Lohnersatzleistungen erhielten, war aufgrund einer zu hoch berücksichtigten Vorsorgepauschale im Lohnsteuerabzug eine Abgabepflicht entstanden – ein Sachverhalt, der sich aus § 46 Abs. 2 Nr. 3 EStG i.V.m. § 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 EStG ergibt.

Das Finanzamt hatte das Ehepaar im September 2020 schriftlich auf die eventuelle Abgabepflicht hingewiesen, aber nicht explizit zur Abgabe aufgefordert. Die Erklärung blieb dennoch aus. Später erließ das Finanzamt einen Schätzungsbescheid samt Verspätungszuschlag.

Das Gericht entscheidet zugunsten der Steuerpflichtigen

Das Finanzgericht reduzierte den Verspätungszuschlag auf 0 €. Die Begründung: Das Schreiben des Finanzamts enthielt keine klare Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung, sondern lediglich einen Hinweis. Außerdem könne von Laien nicht erwartet werden, die komplexe Verknüpfung mehrerer Vorschriften zu durchschauen. Die Kläger durften davon ausgehen, keine Erklärung abgeben zu müssen. Der Verspätungszuschlag bei komplizierter Gesetzeslage war daher nicht gerechtfertigt.

Praxisrelevanz des Urteils

Das Urteil ist rechtskräftig geworden, da keine Revision eingelegt wurde. Es kann künftig in ähnlichen Fällen als Argument herangezogen werden – insbesondere bei Konstellationen mit freier Heilfürsorge, bei denen häufig eine zu hohe Vorsorgepauschale im Lohnsteuerabzug angesetzt wird.

Wichtig für Steuerpflichtige: Liegt keine eindeutige Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung vor und ist die Abgabepflicht nur aus schwer verständlichen Vorschriften erkennbar, kann ein Verspätungszuschlag unzulässig sein. Die Gerichte prüfen zunehmend genau, ob ein Steuerzahler die Pflicht zur Abgabe auch ohne fachlichen Beistand hätte erkennen können.

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