Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) bringt Zeitarbeitskräften erhebliche steuerliche Vorteile. Leiharbeitnehmer können ihre Fahrtkosten für Leiharbeitnehmer in vielen Fällen nach den günstigeren Reisekostengrundsätzen geltend machen – und nicht nur mit der einfachen Entfernungspauschale. Wir zeigen, was das Urteil bedeutet und wer jetzt profitieren kann.
Wann liegt eine erste Tätigkeitsstätte vor?
Leiharbeitnehmer befinden sich nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Einsatzbetrieb (Entleiher), sondern zum Personaldienstleister (Verleiher). Häufig werden sie über einen längeren Zeitraum bei demselben Kunden eingesetzt. Steuerlich war bislang strittig, ob dabei die Fahrtkosten für Leiharbeitnehmer mit der Entfernungspauschale oder nach Dienstreisegrundsätzen abzugsfähig sind.
Grundlage für die steuerliche Behandlung ist § 9 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Danach liegt eine „erste Tätigkeitsstätte“ vor, wenn ein Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder für mehr als 48 Monate einer bestimmten betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist.
Im Fall einer solchen Zuordnung dürfen Fahrtkosten für Leiharbeitnehmer nur mit der Entfernungspauschale (Pendlerpauschale) von 0,30 € je Kilometer der einfachen Wegstrecke geltend gemacht werden – auch dann, wenn täglich viele Kilometer gefahren werden müssen.
BFH-Urteil gegen Finanzverwaltung: Keine dauerhafte Zuordnung möglich
Die Finanzverwaltung unterstellt bei längeren Einsätzen von Leiharbeitnehmern beim selben Entleiher eine dauerhafte Zuordnung – selbst wenn das arbeitsrechtlich gar nicht zulässig ist. Grundlage dafür ist ein BMF-Schreiben vom 25.11.2020 (BStBl 2020 I S. 1228).
Doch genau hier setzt das aktuelle Urteil des BFH vom 17.06.2025 (Az. VI R 22/23) an und widerspricht dieser Sichtweise deutlich.
Nach Auffassung des BFH ist bei Leiharbeitsverhältnissen grundsätzlich keine dauerhafte Zuordnung möglich – und zwar aus arbeitsrechtlichen Gründen. Denn nach § 1 Abs. 1b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) darf ein Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate an denselben Entleiher überlassen werden – es sei denn, ein Tarifvertrag regelt etwas anderes.
Diese gesetzliche Begrenzung widerspricht der Annahme einer dauerhaften Zuordnung. Daher kann in solchen Fällen keine „erste Tätigkeitsstätte“ im steuerlichen Sinne vorliegen. Die Folge: Die Fahrtkosten für Leiharbeitnehmer dürfen nach Reisekostengrundsätzen abgerechnet werden – also Hin- und Rückfahrt, nicht nur der einfache Weg.
Praxisfall: Kläger setzt sich erfolgreich durch
Ein Leiharbeitnehmer war von 2015 bis 2018 ununterbrochen bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt und über drei Jahre bei einem Entleiher tätig. In seinen Steuererklärungen machte er die Fahrtkosten für Leiharbeitnehmer nach Reisekostengrundsätzen geltend. Das Finanzamt erkannte jedoch nur die Entfernungspauschale an.
Der BFH entschied zugunsten des Klägers: Selbst wenn der Einsatz bereits vor der Neufassung des AÜG im April 2017 begann, gilt das Verbot einer unbefristeten Überlassung. Bereits nach dem alten § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG war eine „mehr als vorübergehende“ Überlassung unzulässig. Eine dauerhafte Zuordnung war also auch damals nicht möglich.
Ergebnis: Der Kläger durfte seine Fahrtkosten für Leiharbeitnehmer vollständig nach Reisekostengrundsätzen absetzen.
Welche Leiharbeitnehmer profitieren vom Urteil?
Das Urteil ist bahnbrechend, denn es stellt klar: Die steuerliche Behandlung muss dem Arbeitsrecht folgen. Wenn das Arbeitsrecht eine dauerhafte Überlassung verbietet, darf sie steuerlich auch nicht angenommen werden – das gilt rückwirkend.
Auch Leiharbeitnehmer, die bereits vor dem 1. April 2017 eingesetzt wurden, können von diesem Urteil profitieren. Das gilt insbesondere dann, wenn ihr Einsatz nicht durch tarifvertragliche Ausnahmen über 18 Monate hinausging.
Weitere relevante Entscheidung: Das FG Düsseldorf entschied bereits 2024 ähnlich (Urteil vom 20.11.2024, Az. 15 K 1490/24 E). Die eingelegte Revision wurde zurückgezogen – offenbar in Erwartung einer Niederlage vor dem BFH.
Ausnahme: Befristete Leihverhältnisse mit gleichem Einsatzzeitraum
Anders kann es aussehen, wenn ein Leiharbeitnehmer nur befristet angestellt ist und sein Einsatz beim Entleiher exakt der Dauer des Leiharbeitsvertrags entspricht. Dann spricht vieles dafür, dass eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt – mit der Folge, dass nur die Entfernungspauschale angesetzt werden darf.
Fazit: Fahrtkosten prüfen und ggf. rückwirkend geltend machen
Leiharbeitnehmer sollten ihre Fahrtkosten aus vergangenen Jahren prüfen – vornehmlich bei längeren Einsätzen vor und nach 2017. Das BFH-Urteil eröffnet die Möglichkeit, höhere Werbungskosten rückwirkend geltend zu machen.
Tipp: Liegt ein Vorläufigkeitsvermerk im Steuerbescheid vor, kann ein Einspruch auch gegen bereits erlassene Bescheide sinnvoll sein. Wichtig ist, dass der Einsatz beim Entleiher zeitlich begrenzt war und keine arbeitsrechtlich zulässige unbefristete Überlassung vorlag.
