Rückwirkend seit dem 1.1.2022 werden Fotovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern (einschließlich Dächern von Garagen und Carports und anderen Nebengebäuden) bis zu 30 kWp gesetzlich steuerfrei gestellt. Bei Anlagen auf Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Häusern liegt die Grenze bei 15 kWp pro Wohn- oder Gewerbeeinheit. Auch Fotovoltaikanlagen auf überwiegend zu betrieblichen Zwecken genutzten Gebäuden bis zu 15 kWp je Wohn-/Geschäftseinheit sind begünstigt.
Steuerfreistellungen haben aber grundsätzlich eine Kehrseite der Medaille: Ausgaben dürfen, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nämlich nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Dies ist in § 3c Abs. 1 EStG geregelt. Damit sind auch Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem (gegebenenfalls zukünftigen) Betrieb von steuerbefreiten Fotovoltaikanlagen stehen, nicht abzugsfähig.
Ein Betriebsausgabenabzug in Veranlagungszeiträumen vor 2022 ist weiter möglich (BFH-Urteil vom 13.12.2012, BStBl 2013 II S. 203) – vorausgesetzt, es wurde nicht bereits von dem früheren Liebhaberei-Wahlrecht für Anlagen bis 10 kWp Gebrauch gemacht.
Es bleibt allerdings die Frage, wann tatsächlich ein „unmittelbarer“ wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Ausgaben und den steuerfreien Einnahmen besteht.
Beispiel:
Frau Steuerle betreibt seit vielen Jahren eine Fotovoltaikanlage mit einer Leistung von 15 kWp. Bei Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung im Jahre 2022 für das Jahr 2021 kommt es zu einer Umsatzsteuer-Nachzahlung, die im Laufe des Jahres 2022 entrichtet wird. Wirtschaftlich betrifft die Nachzahlung das Jahr 2021, also ein Jahr, in dem die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG noch nicht galt.
Kann die Umsatzsteuer-Nachzahlung daher im Jahre 2022 noch als Betriebsausgabe abgezogen werden? Antwort: Die Finanzverwaltung gibt in ihrem aktuellen BMF-Schreiben vom 17.7.2023 (BStBl 2023 I S. 1494) dazu leider keine hinreichende Antwort. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass die Finanzämter den Betriebsausgabenabzug nicht zulassen werden.
Lohnsteuer kompakt ist hingegen der Ansicht, dass ein Betriebsausgabenabzug in 2022 möglich sein muss, denn es fehlt an dem „unmittelbaren“ Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen.
Die Auffassung von Lohnsteuer kompakt wird auch vom Steuerberaterverband Niedersachsen – Sachsen-Anhalt vertreten. Hier geht zu der entsprechenden Stellungnahme. Diese kann gegebenenfalls bei Einsprüchen hilfreich sein.
Natürlich geht es nicht nur um eine eventuelle Umsatzsteuer-Nachzahlung für ein Vorjahr, sondern beispielsweise auch um Wartungs- oder Reparaturkosten, die in 2022 gezahlt wurden, aber noch das Jahr 2021 betreffen. Auch könnten beispielsweise Rechtsanwalts-, Gerichts- oder Notarkosten für einen Rechtsstreit betroffen sein, die erst ab dem
1. Januar 2022 für einen vorhergehenden Zeitraum geleistet werden.
Aktuell: Beim Finanzgericht Nürnberg ist zu der Frage des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs eine Klage anhängig, die möglicherweise als Musterverfahren dienen kann. Das Az. lautet 4 K 1440/23 (Quelle: Steuerberaterverband Niedersachsen – Sachsen-Anhalt .
Falls Sie Betriebsausgaben hatten, die noch ein Jahr vor 2022 betreffen, aber erst in 2022 oder später bezahlt werden, sollten Sie trotz der Steuerfreiheit der Einnahmen eine Anlage EÜR einreichen und die Kosten geltend machen. Wenn diese nicht anerkannt werden (wovon vielfach auszugehen ist), sollten Sie Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das oben genannte Verfahren vor dem FG Nürnberg ein Ruhen Ihres eigenen Einspruchsverfahrens beantragen.
Ein Anspruch auf ein Ruhenlassen besteht zwar nicht, da der Fall (noch) nicht beim Bundesfinanzhof anhängig ist. Es besteht aber die Hoffnung, dass die betroffenen Finanzämter die Fälle aus Gründen der Zweckmäßigkeit ruhen lassen.