Das Bundesfinanzministerium hat entschieden, dass Einkommensteuerbescheide für Veranlagungszeiträume ab 2023 hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrages vorläufig ergehen. Dies ist auf die anhängige Revision beim Bundesfinanzhof zurückzuführen, die klären soll, ob der Grundfreibetrag möglicherweise zu niedrig angesetzt wurde.
Hintergrund: Der Grundfreibetrag als Existenzminimum
Der Grundfreibetrag sorgt dafür, dass das Existenzminimum eines Steuerpflichtigen steuerlich unangetastet bleibt (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG). Seine Höhe orientiert sich am sozialhilferechtlich definierten Existenzminimum, wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1998 klargestellt hat (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, 2 BvL 42/93).
Doch wie hoch muss der Grundfreibetrag tatsächlich sein? Aktuell wird überprüft, ob der Gesetzgeber den Wert für das sozialhilferechtliche Existenzminimum höher angesetzt hat, als es im Steuerrecht berücksichtigt wurde. Diese Frage beschäftigt den Bundesfinanzhof (BFH) in einem Revisionsverfahren (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 28.6.2024, 1 K 37/23, Revision unter III R 26/24).
Vorläufige Steuerbescheide ab 2023
Das BMF-Schreiben vom 25. November 2024 (Az. IV D 1 – S 0338/19/10006 :001) regelt, dass Einkommensteuerbescheide ab 2023 in Bezug auf die Höhe des Grundfreibetrages automatisch vorläufig ergehen. Dies bedeutet:
- Steuerpflichtige müssen keinen Einspruch mehr einlegen, um die potenziellen Auswirkungen der BFH-Entscheidung offenzuhalten.
- Sollte der BFH den Grundfreibetrag nachträglich für zu niedrig erklären, werden die entsprechenden Steuerbescheide automatisch angepasst.
Was sollten Steuerpflichtige beachten?
- Vorläufigkeitsvermerk prüfen
- Kontrollieren Sie, ob der Vorläufigkeitsvermerk in Ihrem Steuerbescheid tatsächlich enthalten ist. Fehlt dieser, kann der Bescheid gegebenenfalls durch einen Einspruch korrigiert werden.
- Andere Streitpunkte separat anfechten
- Der Vorläufigkeitsvermerk betrifft ausschließlich die Frage des Grundfreibetrages.
- Wollen Sie den Bescheid aus anderen Gründen anfechten, ist ein separater Einspruch erforderlich.
- Abwarten der BFH-Entscheidung
- Steuerpflichtige müssen keine weiteren Schritte unternehmen. Eine mögliche Anpassung erfolgt durch das Finanzamt automatisch, falls der BFH den Grundfreibetrag für unzureichend erklärt.
Fazit: Sicherheit durch vorläufige Bescheide
Durch die vorläufige Festsetzung der Steuerbescheide ab 2023 wird Steuerpflichtigen die Unsicherheit genommen, ob sie Einspruch einlegen müssen. Dennoch sollten Betroffene ihre Bescheide genau prüfen, um andere potenzielle Fehler oder Streitpunkte nicht zu übersehen.
Ich habe folgende Frage. Der Einkommensteuerbescheid für 2023 wurde am 23.10.24 erstellt. Die 1 Monatsfrist lief laut Finanzamt am 28.11.24 aus. Das BMF Schreiben wurde erst am 25.11.24 erstellt.
Die Info darüber habe ich im Januar erhalten. Ich habe dann Einspruch wegen fehlerhaftem Vorläufigkeitsvermerk eingelegt im Januar, weil kein Vorläufigkeitsvermerk zum Thema Grundfreibetrag vermerkt war.
Das Finanzamt hat geantwortet, dass der Einspruch nicht innerhalb der Einspruchsfrist eingegangen sei und und ich keine Gründe vorgetragen hätte um das Fristversäumnis zu entschuldigen.
Ich wurde aufgefordert, rechtzeitig Wiedereinsetzungsgründe vorzutragen oder den Einspruch zurückzunehmen.
Ebenso gab es folgende Anmerkung:
„Der Einkommensteuerbescheid ist bestandskräftig und kann nicht mehr geändert werden. Der Vorläufigkeitsvermerk wurde erst später maschinell in den Einkommensteuerbescheid aufgenommen.“
Was genau bedeutet ist?
Sie schreiben ja zunächst: „Steuerpflichtige müssen keinen Einspruch mehr einlegen, um die potenziellen Auswirkungen der BFH-Entscheidung offenzuhalten.“
Soll ich nun den Einspruch zurücknehmen und würde in diesem Fall bei einer Entscheidung, dass der Grundfreibetrag zu niedrig war, automatisch eine Neuberechnung stattfinden?
Hallo Jutta,
da Ihr Bescheid bestandskräftig ist, erfolgt eine Änderung nur, wenn ein Vorläufigkeitsvermerk enthalten ist. Laut Finanzamt wurde dieser später maschinell ergänzt, was auf eine automatische Anpassung bei einer Grundfreibetrag-Änderung hindeutet.
Ob Sie den Einspruch zurücknehmen sollten, hängt davon ab, ob Sie Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft machen können. Für eine verbindliche Einschätzung wenden Sie sich bitte an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt.
Mit freundlichen Grüßen
Thilo Rudolph
Lohnsteuer-kompakt.de
Der Frage von Jutta Schnell würde ich mich gerne anschließen. Auch mir wurde vom FA geantwortet, die Frist zum Widerspruch sei verstrichen. Sehr befremdlich, sollte man doch meinen, solch ein Anlass dürfte nicht der generellen Widerspruchsfrist unterliegen.