Haustürgeschäft: Keine Vergütung für Handwerker bei fehlendem Widerrufshinweis

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Der Europäische Gerichtshof ist immer mal wieder für Überraschungen gut: Ein aktuelles EuGH-Urteil zum Thema „Haustürgeschäft“ verwundert und macht – je nach Blickweise – sprachlos oder frohlockend. Ein Handwerker oder ein Unternehmer erbringt eine Dienstleistung und stellt dafür die Rechnung aus – und der Kunde muss nichts zahlen! Wegen einer Formalie!

Unternehmer schließen oft Verträge mit Verbrauchern außerhalb ihrer Geschäftsräume ab. Bei einem „Haustürgeschäft“ muss der Unternehmer dem Kunden ein 14-tägiges Widerrufsrecht einräumen und ihn davon unterrichten. Der Kunde kann also innerhalb von 14 Tagen von dem Vertrag zurücktreten. Versäumt der Unternehmer den Hinweis auf das Widerrufsrecht, muss der Kunde die Leistung des Unternehmers nicht bezahlen (Artikel 6 und 14 Abs. 5 der EU-Verbraucherschutzrichtlinie 2011/83/EU).

  • Hat der Unternehmer den Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, so läuft die Widerrufsfrist erst 12 Monate nach Ablauf der ursprünglichen 14-tägigen Widerrufsfrist ab (Artikel 10 Abs. 1).
  • Nun steht jedoch die Frage im Raum, ob der Unternehmer einen Anspruch auf „Wertersatz“ hat, wenn der Kunde sein Widerrufsrecht erst nach Erfüllung des Vertrags ausübt. Muss der Kunde also zumindest die bis zum Widerruf tatsächlich erbrachten Leistungen des Unternehmers bezahlen? Andernfalls könnte das dem Verbot ungerechtfertigter Bereicherung zuwiderlaufen.
  • Spannend ist also die Frage, ob ein Verbraucher (Kunde), der nach Vertragserfüllung bzw. nach Erledigung der Handwerkerleistung den Vertrag innerhalb von 14 Tagen oder sogar innerhalb von 12 Monaten(!) widerruft, tatsächlich nichts bezahlen muss, wenn ihn der Unternehmer nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hat.

Aktuell hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass ein Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreit ist, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrages („Haustürgeschäft“) erbracht wurden, wenn der betreffende Unternehmer ihn nicht über sein Widerrufsrecht informiert hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat (EuGH-Urteil vom 17.5.2023, C-97/22).

Der Fall: Ein Hauseigentümer schloss mit einem Handwerker einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Der Handwerker versäumte es jedoch, ihn über das Widerrufsrecht zu unterrichten, das Verbrauchern grundsätzlich während 14 Tagen zusteht, da der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens abgeschlossen worden war. Nach Erbringung seiner vertraglichen Leistungen legte der Handwerker dem Kunden die entsprechende Rechnung vor.

Dieser beglich die Rechnung jedoch nicht, sondern widerrief den Vertrag. Er macht geltend, dass der Handwerker keinen Anspruch auf Vergütung habe, da er versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten und da die Arbeiten vor Ablauf der Widerrufsfrist (die sich bei einem solchen Versäumnis um ein Jahr verlängert) ausgeführt worden seien.

Die Richter gaben dem Kunden recht. Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher bei einem Vertragsabschluss außerhalb von Geschäftsräumen schützen. In solchen Fällen steht der Verbraucher nämlich möglicherweise psychisch stärker unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt. Daher ist die Information über das Widerrufsrecht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und erlaubt ihm, die Entscheidung, ob er den Vertrag abschließen soll oder nicht, in Kenntnis der Sachlage zu treffen.

Hinsichtlich der Frage des vom Verbraucher auf diese Weise erzielten Vermögenszuwachses und des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung weisen die Richter darauf hin, dass die EU-Verbraucherschutzrichtlinie den Zweck verfolgt, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Dieses Ziel geriete jedoch in Gefahr, falls zugelassen würde, dass einem Verbraucher in der Folge seines Widerrufs eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags Kosten entstehen könnten, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind.

Fazit: Trotz voll erbrachter Leistung bekommt ein Unternehmer für seine Dienstleistung kein Geld, wenn er bei einem „Haustürgeschäft“ vergessen hat, den Kunden auf sein Widerrufsrecht hinzuweisen und der Kunde den Vertrag nach erbrachter Leistung widerruft. Der Unternehmer hat in einem solchen Fall weder Anspruch auf Vergütung noch auf Wertersatz.

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