Einspruchsfrist: Das ewige Streitthema „Private Postdienstleister“

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Wer einen Einspruch gegen seinen Steuerbescheid einlegen möchte, muss die Einspruchsfrist beachten. Gerechnet ab Bekanntgabe des Bescheides hat man einen Monat Zeit. Erhalten Sie Ihren Steuerbescheid mit einfachem Brief, gilt der Steuerbescheid am dritten Tag, nachdem das Finanzamt den Brief zur Post gegeben hat, als bekannt gegeben. Diese Drei-Tages-Frist wird auch als Bekanntgabefiktion oder Zugangsvermutung bezeichnet (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO).

Ein Beispiel: Trägt Ihr Steuerbescheid also das Datum 4. Juli 2023, gilt er am 7. Juli 2023 als bekannt gegeben und Sie können bis zum 7. August 2023 Einspruch einlegen.

Fällt der letzte Tag der Drei-Tages-Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, gilt der Steuerbescheid erst am darauffolgenden Werktag als bekannt gegeben.

Seit die Finanzverwaltung immer öfter private Postdienstleister einsetzt, gibt es vermehrt Zweifel, ob die Bekanntgabefiktion, also die Drei-Tages-Frist, zu halten ist.

So gilt manch privater Postdienstleister als unzuverlässig, vor allem, wenn er seinerseits Subunternehmer einsetzt. Zudem erfolgt in vielen Gewerbegebieten samstags generell keine Zustellung.

Bereits im Jahre 2018 hat der Bundesfinanzhof zum Thema „mögliche Unzuverlässigkeit“ wie folgt entschieden: Die Zugangsvermutung für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte gilt zwar auch bei der Übermittlung durch private Postdienstleister. Bei der Einschaltung eines privaten Postdienstleisters, der mit einem Subunternehmer tätig wird, ist allerdings zu prüfen, ob die organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen des Dienstleisters tatsächlich ausreichend sind, um eine regelmäßige Zustellung innerhalb von drei Tagen zu gewährleisten (BFH-Urteil vom 14.6.2018, III R 27/17). Diese Prüfung obliegt der Finanzverwaltung und in einem Streitfall gegebenenfalls dem Finanzgericht.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat zum Thema „keine Samstags-Zustellung im Gewerbegebiet“ entschieden: Die Zugangsvermutung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfällt, wenn innerhalb der dort genannten Drei-Tages-Frist an einem Werktag regelmäßig keine Postzustellung stattfindet (Urteil vom 24.8.2022, 7 K 7045/20). Im Klartext: Wenn das Finanzamt einen Brief am Freitag zur Post gibt, kann dieser nicht am Samstag im Briefkasten des Empfängers gelandet sein. Das Finanzamt darf aber auch nicht einfach unterstellen, dass der Brief seinem Empfänger am Montag zugestellt wurde, denn es kann durchaus sein, dass die Zustellung erst am Dienstag und damit vier Tage nach der Aufgabe zur Post erfolgt. Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 18/22 anhängig.

Das Finanzgericht Münster hat nun aber – entgegen der Kollegen aus Berlin-Brandenburg – entschieden, dass die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht entfällt, nur weil in einem Gewerbebetrieb am Samstag grundsätzlich keine Zustellung erfolgt (Urteil vom 11.5.2023, 8 K 520/22 E). Ein am Freitag aufgegebener Brief gilt danach „ohne Wenn und Aber“ als am Montag zugestellt. Auch gegen dieses Urteil wurde die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt worden ist, war bei Redaktionsschluss allerdings noch nicht bekannt.

 

Falls Sie gegen Ihren Steuerbescheid Einspruch einlegen möchten, sollten Sie die Einspruchsfrist nicht ausreizen. Legen Sie gegebenenfalls zunächst einfach Einspruch ein und reichen Sie die Begründung nach. Diese können Sie auch noch nach der einmonatigen Frist nachschieben. Doch wenn Sie die Einspruchsfrist knapp versäumt haben, sollten Sie die aktuellen Urteile des BFH und des FG Berlin-Brandenburg anführen und auf eine Verlängerung der Einspruchsfrist hinwirken.

Machen Sie deutlich, dass der private Dienstleister Ihre Post tatsächlich nicht immer in kürzester Zeit zustellt. Benennen Sie gegebenenfalls Zeugen. Bewahren Sie auch unbedingt den Briefumschlag des fraglichen Schriftstücks auf. Um es deutlich zu sagen: Die reine Behauptung, ein Steuerbescheid sei verspätet zugegangen oder der Postdienstleister sei generell unzuverlässig, reicht nicht aus. Die Zweifel an der verspäteten Zustellung müssen schon eine gewisse Substanz haben.

 

Der Hinweis, dass montags generell keine Post zugestellt werde, ist in einigen Fällen zutreffend, entpuppt sich in vielen Fällen aber als falsch. Dass montags keine Post im Briefkasten liegt, hängt zumeist damit zusammen, dass Unternehmen, Behörden und andere Institutionen am Samstag üblicherweise keine Post aufgeben, die am Montag zugestellt werden könnte.

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