(2025)
Wie werden mehrere Ausbildungen als Gesamtmaßnahme beurteilt?
Mehrere Ausbildungsabschnitte als einheitliche Maßnahme
Viele Kinder absolvieren mehrere Ausbildungsphasen, z. B. Lehre und Studium. Für den Kindergeldanspruch war bislang entscheidend, ob es sich um eine Erst- oder Zweitausbildung handelt. Während die Erstausbildung begrenzte steuerliche Vorteile bietet, sind Werbungskosten bei einer Zweitausbildung unbegrenzt abziehbar – allerdings nur bei maximal 20 Wochenstunden Erwerbstätigkeit.
Mehraktige Berufsausbildung: Neue Rechtslage
Laut Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 15.04.2015, V R 27/14) kann eine weitere Ausbildung noch zur Erstausbildung zählen, wenn:
- ein enger zeitlicher und fachlicher Zusammenhang zur ersten Ausbildung besteht und
- das Berufsziel noch nicht erreicht ist.
Diese Konstellation wird als mehraktige Berufsausbildung bezeichnet.
Vorteile der mehraktigen Berufsausbildung
Für Eltern:
Der Anspruch auf Kindergeld bleibt bestehen – unabhängig von der Erwerbstätigkeit des Kindes.
Für Kinder:
Die Aufwendungen für die weitere Ausbildung können als Werbungskosten unbegrenzt geltend gemacht werden, sobald eine abgeschlossene Erstausbildung vorliegt.
Werbungskosten: Abgrenzung bleibt bestehen
Für den Werbungskostenabzug zählt als Erstausbildung nur eine Ausbildung, die:
- mindestens 12 Monate in Vollzeit dauert,
- mit einer Prüfung abgeschlossen wird.
Ab der Zweitausbildung sind alle Kosten unbegrenzt abziehbar; Verluste können vorgetragen werden.
Beispiel: Mehraktige Ausbildung
Hans schließt im Februar 2012 eine Lehre als Elektroniker ab und besucht ab August eine Fachoberschule zur Vorbereitung auf ein Studium. Obwohl er zwischenzeitlich in Vollzeit arbeitet, erkennt der BFH einen engen zeitlichen und fachlichen Zusammenhang – die gesamte Ausbildung gilt als einheitliche Maßnahme. Ergebnis: Kindergeldanspruch bleibt bestehen.
BFH-Urteile: Kein Kindergeld bei berufsbegleitender Ausbildung
Der BFH hat in mehreren Urteilen verdeutlicht:
Kindergeld entfällt, wenn die weiterführende Ausbildung neben einem Vollzeitjob erfolgt und der Beruf im Vordergrund steht. Typische Fälle:
- Teilzeitstudium mit 40-Stunden-Woche
- Meisterschule am Abend, Vollzeitbeschäftigung tagsüber
- Ausbildung zur Fachwirtin neben Vollzeitjob
Auch wenn die Entscheidungen teilweise an Vorinstanzen zurückverwiesen wurden, deutet der BFH eine klare Linie an: Vollzeitberuf = kein Kindergeld, wenn Ausbildung danebenläuft.
Prüfungsschema: Wann liegt eine einheitliche Ausbildung vor?
- Fachlicher Zusammenhang: Ist die zweite Ausbildung auf die erste aufgebaut?
→ Wenn nein: Nur Anspruch bei max. 20 Wochenstunden Erwerbstätigkeit.
- Zeitlicher Zusammenhang:
Folgt die zweite Ausbildung zeitnah?
→ Wenn nein: Ebenfalls max. 20-Stunden-Regel beachten.
Hinweis: Ein paar Monate Übergang sind unproblematisch (BFH, III R 32/17).
- Berufstätigkeit nach dem ersten Abschluss:
Wird die Qualifikation bereits beruflich genutzt?
→ Wenn ja: Kein Kindergeld, da Beruf im Vordergrund.
→ Wenn nein: Kindergeldanspruch möglich, wenn Ausbildung überwiegt.
- Gesamtbetrachtung:
Steht die Ausbildung objektiv im Vordergrund oder nur neben dem Beruf?
- Bei Teilzeitjob mit Ausbildungsfokus → Kindergeldanspruch eher bejahbar.
- Bei Vollzeitjob mit Abendkursen → Kindergeldanspruch eher zu verneinen.
- Grenzfall: Leichte Überschreitung der 20-Stunden-Grenze kann unschädlich sein, wenn die Ausbildung klar im Vordergrund steht.
Hinweis: Kinderfreibetrag
Die gleichen Maßstäbe gelten für den Anspruch auf den Kinderfreibetrag in der Einkommensteuer.
Fazit: Ob mehrere Ausbildungen als einheitliche Berufsausbildung gelten, hängt von fachlichem und zeitlichem Zusammenhang sowie der Rolle einer etwaigen Berufstätigkeit ab. Kindergeld gibt es nur, wenn die Ausbildung im Vordergrund steht – nicht die Erwerbstätigkeit.